Aneurysma

Defintion

Unter dem Begriff Bauchaortenaneurysma wird die krankhafte Erweiterung der
Bauchschlagader verstanden. Der infrarenale Abschnitt ist am häufigsten betroffen und
umfasst 95 % aller Aortenaneurysmen. Die Inzidenz wird für über 65 Jährige mit 2,7 %
(maximaler Querdurchmesser größer als 6 cm) angegeben. Die Rupturgefahr steigt mit
der Ausdehnung des Querdurchmessers. Bei unter 6 cm messenden Aneurysmen
beträgt diese bis zu 3 %, ab 6 cm und mehr bis zu 15 % pro Jahr. Bei Frauen wird ein
infrarenales Bauchaortenaneurysma in wesentlich geringerer Zahl beobachtet (Verhältnis
Männer : Frauen = 9 : 1). Jedoch scheint bei Frauen die Rupturgefahr bei kleineren
Aneurysmen höher zu sein.

ätiologisch stehen die degenerativen Aortenwanderkrankungen (Arteriosklerose)
zahlenmäßig im Vordergrund. Mykotische (septische) und dysplatische Formen, z. B.
vaskuläres Marfansyndrom sind dagegen selten. Das inflammatorische Aneurysma ist
vermutlich eine Sonderform des degenerativen Wandschadens, die genaue ätiologie
ist unbekannt.

Symptome und Befunde
80 % der Aneurysmaträger sind asymptomatisch. Meistens wird die Diagnose bei
Abklärung anderer Erkrankungen bzw. im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen mit
Sonographie gestellt, ohne dass der Patient irgendwelche Beschwerden angibt. Von
diesen asymptomatischen Patienten sind jene mit Symptomen mit und ohne Ruptur
abzugrenzen.

Symptomatisches Aneurysma
Rückenschmerzen und diffuse Abdominalschmerzen, die in das Becken ausstrahlen,
sind typisch für das expandierende Aneurysma. Bei Penetration in die Nachbarorgane
stehen organbezogene Beschwerden im Vordergrund. Nicht selten werden die
Beschwerden fehlgedeutet (Ulcus duodeni, Pyelonephritis, Spondylitis, Cholecystitis).
Die Arrosion der Wirbelsäule bei Penetration nach dorsal erklärt Fehldeutungen von
Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Rupturiertes Aneurysma
Der tiefe abdominelle Schmerz, Rückenschmerzen, die in die Flanke und das Becken
ausstrahlen bis zum akuten Abdomen sind Ausdruck der plötzlichen Wandausdehnung.
Hinzu kommen die Schockzeichen als Folge des Blutverlustes. Bei Rupturen in den
Gastrointestinaltrakt müssen die Zeichen der intestinalen Blutung, ebenso wie bei
der aneurysmo-cavalen Fistel die cardiale Dekompensation richtig eingeordnet werden.

Diagnose und Therapieeinleitung
Stehen zur Diagnostik abdomineller Aortenaneurysmen alle bildgebenden Verfahren
zur Verfügung, muß ein Konsens zwischen Radiologen, Chirurgen und Internisten
herbeigeführt werden, um die Untersuchungen durchzuführen, welche individuell unter
Beachtung der speziellen zugrunde liegenden Fragestellung notwendig sind. Im
Bestreben um eine optimale Darstellung sollte der technische, ökonomische, personelle
und zeitliche Aufwand eine angemessene Berücksichtigung finden.

Der Sonographie des Abdomens (B-Bild)
kommt eine ganz besondere Bedeutung als Suchmethode zu. Sie hat sich als einfach
durchführbar, zuverlässig und preiswert erwiesen.

Die Computertomographie (CT)
gibt morphologisch präzise und geometrisch reproduzierbar die Größe des
Aneurysmas, die Art der Thrombosierung (konzentrisch, exzentrisch),
die Wandbeschaffenheit und den Bezug des Aneurysmas zu den Nachbarorganen
wieder. Außerdem kann die Computertomographie Hinweise über die ätiologie
des Aneurysmas (Inflammation, mykotisches Aneurysma , Dissektion) geben.

Die Kernspintomographie (MR)
ist speziellen Fragestellungen vorbehalten (Dissektion, Abgrenzung inflammatorisches
Aneurysma vs. M. Ormond), (Kontrastmittelallergie).

Die Arteriographie
dient nicht dem Aneurysmanachweis, sondern wird zum Nachweis von
Verschlusserkrankungen in Gefäßen eingesetzt, welche aus der Aorta entspringen.
Bei V.a. Nierenarterienverschlußprozesse (eingeschränkte Nierenfunktion, Hypertonie,
Darmarterienstenosen, Angina abdominalis, unklarer Gewichtsverlust, fehlenden
Leistenpulsen, Angina glutealis) ist die Angiographie indiziert. Bei Patienten mit
Aneurysmose, welche u. U. aneurysmatische Veränderungen, im Bereich der
Leistenbeuge aufweisen, kann die Angiographie transbrachial, bzw. transaxillär als
Katheterangiographie durchgeführt werden. Die i. v. DSA hat sich für die angegebenen
Fragestellungen nicht bewährt, da die Menge des Kontrastmittels in der Regel zu einer
vorübergehenden Verschlechterung der Nierenfunktion führt.

Wird an die derzeitig noch im klinischen Experimentalstadium befindlichen Implantation
einer Aorten-Stent-Prothese gedacht, müssen zur genauen Längenbestimmung
des Aneurysmas sowie zur Beurteilung der angrenzenden Strom exakte Längen- und
Durchmesserbestimmungen mit dem Computertomographen durchgeführt werden.
Außerdem ist in solchen Fällen die Aortoarteriographie unabhängig von begleitender
Veschlußerkrankung obligat

Indikationsstellung
Bei Patienten mit symptomatischen Aneurysma mit/ohne Ruptur
ist die Operationsindikation zu stellen, wenn der Allgemeinzustand des Patienten
den operativen Eingriff zulässt. (Die Beurteilung der Operabilität sollte durch den
Gefäßchirurgen in Zusammenarbeit mit dem Anästhesisten unter Einbeziehung
der Voruntersuchungsbefunde und nicht fachfremd erfolgen).

Bei asymptomatischen Aneurysmen wird aufgrund epidemiologischer Untersuchungen
in England und in den skandinavischen Ländern zur Zeit ab 5 cm maximaler
Querdurchmesser eine Operationsindikation gesehen. Hilfreich für die
Operationsentscheidung sind Größe und Form des Aneurysmas, Form und Anordnung
des Thrombus, Alter des Patienten und die Berücksichtigung von Risikofaktoren,
die das Risiko der Aneurysmaruptur erhöhen (Hypertonie, chronisch obstruktive
Ventilationsstörungen), sind in die Empfehlung zur Operation einzubeziehen.
Da auch kleine Aneurysmen rupturieren und diesbezüglich im Einzelfall keine messbaren
Daten für das Rupturrisiko erhoben werden können, bleibt eine Grauzone der Indikation
zur elektiven Aneurysmachirurgie bestehen. In diesem Zusammenhang sind auch
Patienten mit einer chronischen immunsupprimierenden Medikation zu nennen.

Therapie
Das Prinzip der operativen Behandlung besteht im Ersatz der aneurysmatischen
Strombahn. Soweit das Aortenlumen im Bereich der Bifurkation annähernd normal
entwickelt ist, besteht die Operation in der Implantation einer Rohrprothese (Interponat).
Ist die angrenzende Beckenstrombahn aneurysmatisch verändert, wird eine
Bifurkationsprothese mit Anschluß im Bereich der iliacalen Teilungsstelle beidseits
implantiert.Bei Patienten mit erhöhtem operativen Risiko und dilatierter Beckenstrombahn
kann man sich in Einzelfällen auch auf den Ersatz der Aorta beschränken.
Bei Ausschaltung der A. iliaca interna ist am Ende des Eingriffes die distale Darm- sowie
die Glutealzirkulation zu überprüfen.Die Notwendigkeit zu Implantation der A. messenteria
inferior in die Aortenprothese ist nach Freigabe des Blutstromes in die Beckenarterien
durch Inspektion des rekto-sigmoidalen überganges zu prüfen.

Der Einsatz fremdblutsparender Verfahren (präoperative Eigenblutspende, intraoperative
Hämodilution, maschinelle Autotransfusion) sollte bei fehlenden Risikofaktoren erwogen
werden und kann hilfreich sein. Der operative Eingriff schließt ab mit der Kontrolle
der Zirkulation im Bereich der unteren Extremitäten.

Stentprothesen
Derzeit werden verschiedene prothetische Materialien mit Hilfe von Kathetern und,
minimalinvasivem Zugang in die Bauchaorta eingebracht und mit Hilfe von Drahtgittern
(Stent) gestützt. Die Wertigkeit der Implaantation von Stentprothesen ist im Vergleich zur
konventionellen Aneurysmachirurgie derzeitig noch nicht zu beurteilen und befindet sich
im Stadium des klinischen Experiments. Nach überwindung der methodisch bedingten
Komplikationen, welche derzeitig wesentlich höher liegen als im Vergleich zur
konventionellen Aneurysmachirurgie,bleibt abzuwarten, ob ein sicheres Langzeitergebnis
mit dieser Methodik zu erzielen ist.

Nachsorge
Die unmittelbare postoperative Behandlung bis zur Stabilisierung der respiratorischen
Funktion und Vitalparametern erfordert eine intensive überwachung. Die Unterbringung
auf einer Intensivbeatmungsstation ist nicht unbedingt erforderlich. Für Risikopatienten
und Patienten nach einem Rupturereignis sollte dies aber gewährleistet sein.

Die venöse Thromboembolieprophylaxe erfolgt medikamentös durch niedrig dosierte
Heparingaben, anfangs intravenös, später durch subcutane Applikation. Wichtig ist die
Frühmobilisation des Patienten.

Vor Entlassung aus der stationären Behandlung kann der Sitz und die Lokalisation
der Prothese durch eine Sonographie kontrolliert bzw. bestimmt werden. Grundsätzlich
sind Aneurysmapatienten prädestiniert für die Entwicklung von aneurysmatischen
Veränderungen in den angrenzenden Arterienabschnitten. Insofern empfehlen sich
regelmäßige und konsequente Kontrollen.

Eine Rehabilitation im Sinne einer Anschlußheilbehandlung ist bei den meisten älteren
Patienten ratsam.

Empfehlenswert ist die regelmäßige Verlaufskontrolle von Patienten, welche mit kleinem
Aneurysma primär nicht operiert wurden. Bei sprunghafter Zunahme des maximalen
Querdurchmessers bzw. überschreiten von 5 cm empfiehlt sich die Vorstellung zur
operativen Behandlung.

Herausgegeben vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie.

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