Pilonidalsinus
Der Pilonidalsinus oder Sinus pilonidalis („pilus“: Haar, „nidus“: Nest) ist eine akut oder anschließend chronisch verlaufende Entzündung im subkutanen Fettschicht, überwiegend im Bereich der Steißbeinregion auftretend. Synonyme sind Haarnestgrübchen und Haarnestfistel; unzutreffend sind die Bezeichnungen Steißbeindermoid, Sakraldermoid, Dermoidzyste, Steißbeinfistel, Jeep’s disease, Raphefistel, Pilonidalzyste und Sakrokokzygealzyste.
Es werden 3 Erscheinungsbilder des Pilonidalsinus unterschieden: die asymptomatische (inzidentell entdeckte, keine Beschwerden), die akut eitrige und die chronisch verlaufende Form. Meist finden sich eine entzündliche Eröffnung Granulationsgewebe, Haarbüschel und Zelldetritus.
Der Pilonidalsinus ist erworbene Erkrankung eine vornehmlich in der Pubertät bei möglicherweise genetischer Disposition angesehen. Seiner Entstehung scheint ein multifaktorielles Geschehen, ausgelöst durch folgenden Mechanismus, zugrunde zu liegen: Die Reibebewegungen der Nates drehen abgebrochene Haare mit ihren wurzelnahen Enden in die Haut hinein. Dadurch entstehen sog. Pori oder Pits, das heißt Vertiefungen, die Haare enthalten können. Da die Hornschuppen der Haare als Widerhaken fungieren, dringt das Haar immer tiefer bis in das subkutane Fettgewebe ein. Dort entwickelt sich ein Fremdkörpergranulom, das nicht spontan heilt (asymptomatische Form), sich aber infizieren kann (abszedierende und chronische Form.
Starke Behaarung sowie Übergewicht und übermäßige Schweißsekretion scheinen die Entstehung des Pilonidalsinus zu begünstigen. Es gibt derzeit keine Evidenz, dass die Hygiene eine kausale Rolle bei der Entstehung, Exazerbation oder Rezidivneigung des Pilonidalsinus spielt; sowohl die Dicke der Fettschicht als auch die Tiefe der Analfalte scheinen Risikofaktoren für die Entstehung eines Sinus pilonidalis darzustellen. Auch eine sitzende Tätigkeit scheint die Erkrankung zu begünstigen.
Die mittlere Zeit zwischen ersten Symptomen und Behandlung wird mit 2 Jahren angegeben. Patienten mit akuter Abszedierung weisen weniger Pits auf als Patienten mit längerer Krankheitsdauer.
Lokalisation
Der Pilonidalsinus tritt vornehmlich in der Rima ani (Analfalte) auf. Andere Lokalisation sind selten und kontroversieller Ursprungs
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen Anal- und Crohn-Fisteln und eine Acne inversa ausgeschlossen werden, wobei andererseits eine aktuelle Arbeit starke ähnlichkeit zu Acne inversa nachweist.
Symptomatik und Diagnostik
Die Beschwerden sind vom Erscheinungsbild abhängig: Die asymptomatische Form ist durch eine oder mehrere reizlose Pori („pits“) in der Rima ani gekennzeichnet und wird nur zufällig diagnostiziert. Sie wird definiert durch den Nachweis von Pori ohne aktuelle oder vorhergehende relevante Beschwerden (Schmerzen, Sekretion, Blutung). Es gibt keine Spontanheilung. Anderseits ist eine längere Zeit zwischen ersten Beschwerden und Behandlungsbeginn nicht ungewöhnlich.
Die akut abszedierende Form imponiert mit Schwellung und Schmerzen in der Analfalte. Nach Spontanperforation oder chirurgischer Spaltung entleert sich Eiter.
Im chronischen Stadium leiden die Patienten unter permanenten oder intermittierenden serös-eitrigen Absonderungen aus dem Porus selbst (Pit, Primäröffnung) bzw. aus der Schnittwunde.
Die Diagnostik erfolgt mittels Inspektion, Palpation und ggf. Sondierung. Bei Druck auf den chronischen Pilonidalsinus tritt oft eine blutig-seröse Flüssigkeit aus der in der Rima ani gelegenen Primäröffnung aus. Die Injektion von Farbstoffen oder Röntgenkontrastmittel in das Fistelsystem ist präoperativ für die Diagnostik nicht hilfreich. Insbesondere bei asymmetrischen Verfahren ohne klinisch eindeutige Haarnestlokalisation kann eine Ultraschalluntersuchung hilfreich sein.
Es soll zwischen der akuten Abszedierung und einer chronischen Form unterschieden werden. Nicht- und gering-symptomatische Formen kommen vor. Bei symptomatischen Formen ist eine langfristige Heilung nur durch eine operative Maßnahme zu erzielen. Die Symptomatik bestimmt dabei den Zeitpunkt. Eine prophylaktische Behandlung bei asymptomatischen Veränderungen soll nicht erfolgen. Außer Anamnese und klinischer Untersuchung sollen keine weiterführenden Diagnostikmaßnahmen erfolgen.
Therapie der Steißbeinfistel
Behandlungsmöglichkeiten
Es wurden mehrere Behandlungsmethoden im Laufe der letzten 60 Jahren dennoch ist einzig die chirurgische Abtragung (Exzision) die erfolgversprechende Therapie des chronischen Sinus pilonidalis anerkannt. Bei der klassischen Operation wird die Fistel meist mit Methylenblau markiert, um das gesamte betroffene Gewebe mit einem gesunden Abstand zu entfernen. Um ein Wiederauftreten (Rezidiv) zu vermeiden, wird das erkrankte Gewebe bis auf’s Steißbein herausgenommen und anschließend abgeschabt. Die Operation verläuft in der Regel unter örtlicher Betäubung ambulant oder bei schwierigen Fällen die eine ausgedehnte Verschiebeplastik brauchen unter Narkose stationär und einen Krankenhausaufenthalt von drei bis vier Tagen bedarf. Immer öfter aber werden jedoch diese Operationen ambulant durchgeführt.
Wird nach der Exzision eine offene Wundbehandlung (sekundäre Wundheilung) durchgeführt, resultiert eine lange Krankheitsdauer der Patienten, je nach Größe des Befundes bis zu mehreren Monaten. Die Vakuumtherapie ist eine Methode, um eine sekundäre Wundheilung zu beschleunigen. Ein Vorteil gegenüber der offenen Wundbehandlung ist die geringere Rate von Rezidiven.
Eine schnellere Genesung wird durch den Primärverschluss (Zunähen) der Wundhöhle angestrebt. Aufgrund der infektiösen Krankheitsgenese und der anatomisch ungünstigen Lage der Wunde bei symmetrischer Exzision und Wundverschluss in der Mittellinie sind Wundheilungs-störungen häufig, sie treten bei bis zu 40 % der Patienten auf. Ein weiteres Problem stellt die hohe Rezidivrate von bis zu 20 % innerhalb von drei Jahren dar.
Von Karydakis wurde ein alternatives Operationsverfahren entwickelt, dessen Kernelement in der asymmetrischen Exzision des Sinus liegt, so dass die resultierende Wunde außerhalb der Mittellinie zu liegen kommt. Mehrere Varianten dieser Operationsmethode bis hin zu aufwändigen Lappenplastiken (Limberg-Flap) wurden entwickelt, das wesentliche Ziel all dieser Methoden ist die Verlagerung der Wunde bzw. Narbe aus der Mittellinie, um Wundheilungsstörungen und Rezidive zu verhindern. Dadurch lässt sich eine schnellere Wundheilung erreichen.
Der Eingriff
Die Behandlung erfolgt prinzipiell ambulant in Lokalbetäubung. Die Operation folgt einer Untersuchung und Aufklärungsgespräch. Patienten, werden aufgefordet im Begleitung zu kommen. Im Notfall ist selbstverständlich auch eine Übernachtung im Krankenhaus möglich
Der Eingriff erfolgt stets in Bauchlage. Zunächst wird die Haut rasiert und die Wunde steril gewaschen und abgedeckt. Ein Betäubungsmittel wird um die Wunde unter der Haut bis zum Steißbein gespritzt. Damit die Wirkung länger anhält und das Blutungsrisiko verringert wird, ist das Betäubungsmittel mit Adrenalin vermischt. Die Betäubungsspritze ist kurz durch ein Brennen unangenehm bemerkbar, jedoch rasch wirksam und die Wunde unempfindlich.
Entscheidend für den Auswahl der chirurgischen Vorgangsweise und Behandlungsergebnisse sind eine sorgfältige Patientenselektion.
Therapie im eitrigen abszedierenden Stadium
Incision
Im eintrigen Akutstadium erfolgt eine Entlastungincision mit Spülung und Drainag. Nach Abklingen der Entzündung kann dann eine Fistelabtragung und Verschluss erfolgen.
Excision und Heilung per granulationem
Es erfolgte eine großzugige Excision des entzündlichen fisteltragenden Gewebes , die Wunde wird offen gelassen und heilt sekundär ab.
Therapie im fistulierenden nicht-abszedierenden Stadium
Excision und offener Wundbehandlung
Es erfolgte eine großzugige Excision des vorher mit Farbstoff markierten fisteltragenden Gewebes, die Wunde wir offen gelassen
Excision und Primärwundverschluss
Es erfolgte eine großzugige Excision des vorher mit Farbstoff markierten fisteltragenden Gewebes, die Wunde wird locker mobilisiert, adaptiert und verschlossen.
Laser-Fistelablation
Statt einer Excision der Fisteleröffnung kann die Fistel selbst mittels eines 980 nm Diodenlaser obliteriert dafür werden flexibere 200 µ dicke Fasern verwendet
Bascom Procedure auch „Pit Picking“ Operation
Es handelt sich um den kleinsten Eingriff, der für die Behandlung der Patienten mit Steißbeinfistel (Sinus pilonidalis) existiert.
Indirekte Excision nach Karydakis „Cleft lift“
Vom griechischen Chirurg G. Karydakis Ende der 1960er Jahre eingeführt diese Operationsmethode indem die Fisteln hauptsächlich seitlich der Gesäßfalte erfolgt um eine bessere Durchblutungs des Gewebes zu ermöglichen. Beim Zusammennähen wird die Haut der Gegenseite rübergezogen und festgenäht. Die Naht liegt ein bis zwei Zentimeter seitlich der Mitte und verheilte im Prinzip gut.
Da bei beiden Operationen (ebenso bei der Limberg’schen Operation, die ebenfalls in Deutschland angewendet wird) ein Haut-Lappen gebildet wird, nennt man diese Eingriffe „plastische“ Operationen. Alle Methoden weisen niedrige Rückfallraten auf und stellen heutzutage die besten bekannten Methoden in der Behandlung von Steißbeinfisteln dar.
Verschiebeplastik
Transpositionslappen nach Limberg
Komplikationen Als Komplikationen werden in der Literatur Blutung, Entzündungen, Rezidiv, Wundheilungstörung. Studien haben gezeigt, dass das offene Vorgehen mit sekundärer Wundheilung zu weniger Rezidiven führt, jedoch ist es eine vorübergehende, deutliche Einschränkung der Lebensqualität vorhanden, da die sekundäre Wundheilung ca. 6-8 Wochen dauern kann.
Nach der Operation können Nachblutungen auftreten (2-4%). Nachblutungen sind für den Patienten meist recht erschreckend („das viele Blut“), doch aus professioneller Sicht ungefährlich, da die geschaffenen Wunden sehr klein sind.
| 23.09.2020 | Mehr lesen | Druck |