Verengung der Halsschlagader
Definition
Darunter versteht man eine umschriebene Verengung einer Halsschlagader auf Grund
angeborener oder erworbener Wandveränderungen. Nach heutigen Erkenntnissen ist
ein Schlaganfall in bis zu 60% durch Verengung der Halsschlagader bedingt. 40% der
Schlaganfälle verlaufen tödlich. Diese Erkrankung steht damit in der Statistik der
Häufigkeit der Todesursachen an dritter Stelle. Die Patienten verbleiben durchschnittlich
43 Tage in stationärer Behandlung. Die Prävalenz von höhergradigen Carotisstenosen
bei der älteren Bevölkerung liegt bei ca. 3%. Wenn durch ärztliche Behandlung das
Eintreten eines Schlaganfalles verhindert werden kann, so bedeutet dies nicht nur eine
Senkung von Mortalität und Morbidität, sondern auch eine erhebliche Kostenersparnis.
Symptome und Befunde
Stadium I – Eine Carotisstenose kann asymptomatisch bleiben (klinisches Stadium I).
Die Apoplexierate liegt hier bei 5% und unter maximaler konservativer Therapie (nach
Diagnosenstellung) bei 2% jährlich.
Stadium II – Eine symptomatische Carotisstenose (Stadium II) äußert sich in
vorübergehenden klinischen Ausfallserscheinungen, die bei der Dauer der Symptomatik
von weniger als 24 Stunden als TlA (transitorische ischämische Attacke) oder bei
verlangsamter Rückbildung bei einer Dauer von bis zu mehreren Tagen als PRIND
(prolongiertes ischämisches neurologisches Defizit oder „little stroke“) bezeichnet
werden.
Stadium III – beinhaltet den manifesten Insult mit entweder zu oder abnehmender
neurologischer Symptomatik.
Stadium IV – bezeichnet man den abgelaufenen Insult mit bleibender Symptomatik
unterschiedlicher Ausprägung
Diagnostik
Die Diagnostik umfasst:
1. anamnestische Angaben und Feststellung der neurologischen Symptomatik.
2. die Erfassung von Risikofaktoren
2. die spezielle Diagnostik
Die allein zuverlässigen diagnostischen Verfahren sind:
1. Die direktionale cw-Ultraschall-Doppler-Untersuchung zur Feststellung des
Stenosegrades und der Zuordnung der Stenose zur A.carotis externa oder interna.
Die Doppleruntersuchung kann ambulant erfolgen, sollte wegen des ,,subjektiven
Elements“ in Einzelfällen allerdings in der behandelnden Klinik wiederholt werden.
2. Die hochauflösende Duplex-Sonographie mit einer Sensitivität von 81% und einer
Spezifität von 82%. Hiermit lassen sich neben der Einschätzung des Stenosegrades
auch arteriosklerotische Plaques mit ulzerierter Oberfläche, die als Quelle für arterielle
Microembolien anzusehen sind, identifizieren.
3. Die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie gilt heute noch als ,,Goldstandard“
in der Diagnostik. Sie erlaubt die Einschätzung des Stenosegrades, der Morphologie
und Ausdehnung der Stenose und zusätzlich eine Beurteilung des Zustandes der
intrakraniellen Gefäßstrombahn (nachgeschaltete Strombahn). Diese Untersuchung
ist mit einem permanenten neurologischen Defizit von 0,3% belastet, in ihrer selektiven
Form jedoch mit 1,2%. Letztere sollte deshalb nur bei gezielter Indikation vorgenommen
werden.
4. Die digitale intravenöse Subtraktionsangiographie. Sie gestattet zumindest bei
normalem Herz-Zeit-Volumen (HZV) die orientierende Einschätzung
des Stenosegrades, der Morphologie und der Ausdehnung der Stenose.
Eine Einschätzung der intrakraniellen Strombahn ist in der Regel nicht möglich.
5. Die Magnetresonanzangiographie (NMRA) gestattet die Festlegung des
Stenosegrades, der Morphologie der Stenose und die Unterscheidung zwi-schen
hochgradiger Stenose und Verschluß. Sie ist weniger untersucherab-hängig als die
Sonographieverfahren und besitzt eine Sensitivität von 92% und eine Spezifität von 74%.
6. Die transkranielle Doppleruntersuchung (TCD) gestattet die Einschätzung der
intrakraniellen Zirkulation, insbesondere die seitenübergreifende Kollateralversorgung.
7. Die Computertomographie (CT) gibt Auskunft über frische oder ältere ischämische
Herde und kann andere Ursachen, wie Blutung oder Tumoren ausschließen. Alternativ
sind diese Aussagen auch mit Hilfe der Kernspinto-mographie (NMR) möglich.
8. Bei Mehrgefäßerkrankungen kann eine regionäre Hirndurchblutungsmes-sung mit
Bestimmung der Reservekapazität hilfreich sein.
lndikationsstellung
Stadium I – Im Stadium I wird ein Vorteil der Operation für die Patienten nur bei
hochgradigen Stenosen (>70%) und bei sehr niedriger Komplikationsrate pro Zentrum
erreicht. Die Apoplexierate im Spontanverlauf beträgt bei maximaler konservativer
Therapie nach der ACAS-Studie 2% pro Jahr und nach operativer Behandlung
1 % pro Jahr.
Stadium II – Eine klare Indikation ergibt sich im Stadium II bei hochgradiger Stenose.
Konservativ behandelt ergibt sich eine Apoplexierate von 26% und in der operierten
Gruppe von 9% nach 2 Jahren, d.h. es erfolgt eine Absenkung des relativen Risikos um
65%. Die perioperative Apoplexierate soll 3% für ein permanentes neurologisches Defizit
und die Letalität 1% nicht übersteigen, damit das therapeutische Ziel für den Patienten
(Senkung der Apoplexierate durch die Operation) erreicht wird.
Stadium III – Im Stadium III, dem akuten (frischen) Schlaganfall (,,frank stroke“) ist eine
Operationsindikation nur ausnahmsweise bei fehlender Bewußtlosigkeit gegeben.
Innerhalb eines Zeitintervall zwischen Insult und Operation von nicht mehr als 4-6
Stunden bilden sich nach operativer Behandlung bei bis zu 50% der Patienten die
neurologischen Ausfälle zurück, jedoch ist die Letalität mit 9% hoch. Die Wertigkeit
einer lokalen Lyse bei kranialem Gefäßverschluß ist noch nicht gesichert.
Stadium IV – Im Stadium IV ergibt sich die Indikation zur Operation einer Carotisstenose
nur bei Patienten, bei denen sich die neurologische Symptomatik weitgehend
zurückgebildet hat. Der Operationszeitpunkt orientiert sich am CT-Befund und am Grad
der Stenose. Bei fehlender Blut-Hirn-Schrankenströrung im CT und filiformer Stenose
kann eine Operation bereits nach 2-3 Wochen, bei geringgradiger Stenose erst nach
4-8 Wochen erfolgen. Ist das Stadium IV durch einen Verschluß der A. Carotis Interna
verursacht, kommt ggf. die Externaplastik und in seltenen Fällen ein extraintracranieller
Bypaß in Frage.
Die Indikation zum Eingriff kann erst nach Beurteilung allgemeiner Risiken erfolgen.
Besonders häufig ist die Kombination der Carotisstenose mit stenosierenden
Veränderungen an den Coronararterien. Bei entsprechender klinischer Symptomatik ist
eine Coronarangiographie erforderlich. Bei gesicherter Stenose und klinischer Instabilität
soll zunächst versucht werden, die coronare Situation zu verbessern (PTCA,
aortocoronarer Bypass). Bei gleichzeitig bestehendem sehr hohem Apoplexierisiko
(filiforme Stenose) und instabiler KHK sollte simultan operiert werden.
Therapie
Die Thrombendarteriektomie (TEA) der A.carotis interna/externa kann in
Allgemeinanästhesie oder in Lokal- bzw. Regionalanästhesie erfolgen.
Neben das klassische Operationsverfahren mit Längsinzision von der A.carotis
communis in die A.carotis interna hinein und direkter Ausräumung des stenosierenden
Verschlußmaterials, ein Verfahren das in gleicher Weise auch für die A. carotis externa
gewählt werden kann, ist in jüngster Zeit die sogenannte
Eversionsthrombendarteriektomie getreten, bei der die A. carotis interna an
der Carotisgabel abgetrennt und durch Eversion von dem Verschlußmaterial befreit
und danach wieder replantiert wird. Beide Verfahren haben ähnlich gute Ergebnisse.
Die Einlegung eines temporären Shuntes zur Minimierung der erforderlichen Abklemmzeit
ist jedoch bei der Eversionsthrombendarteriektomie wesentlich schwieriger.
Bei der herkömmlichen TEA ist die Shunteinlage problemlos. Eine sichere Verbesserung
der Ergebnisse durch Einlegen eines Shuntes ist nicht durch Studien gesichert.
Die Verwendung eines Shunts wird jedoch insbesondere bei supraaortischen
Mehrfachläsionen (hochgradige Stenose oder Verschluß der kontralateralen A. Carotis
interna und / oder zusätzliche Erkrankung der Vertebralarterien) empfohlen.
Zur Vermeidung der Ausbildung intraarterieller Thromben wird der Eingriff in
Vollheparinisierung durchgeführt.
Die Carotisangioplastie mit Stentimplantation ist derzeit ein experimentelles Verfahren,
dessen Nutzen weder für den Patienten noch für den Kostenträger nachgewiesen ist. Da
durch einen unkontrollierten Einsatz viele Patienten unnötigerweise zu Schaden kommen
werden, ist die Durchführung der Methode außerhalb klar definierter Studien abzulehnen.
Als Verfahren für das intraoperative Monitoring stehen zur Verfügung:
1. Die perioperative transkranielle Doppleruntersuchung
2. Das EEG
3. Die Messung somato-sensorisch evozierter Potentiale
4. Die Stumpfdruckmessung
Als intraoperative Qualitätskontrolle kommen eine elektromagnetische Flussmessung,
eine intraoperativen Angiographie oder eine Angioskopie infrage. Es muss betont werden,
dass die operative Behandlung der symptomatischen Carotisstenose nur unter der
Bedingung einer ausreichend niedrigen Komplikationsrate der konservativen Therapie
eindeutig überlegen ist.Neuere, prospektiv und multizentrisch erhobene Daten bestätigen
jedoch, dass die Carotisendarteriektomie der symptomatischen und asymptomatischen
hochgradigen Carotisstenose in der aktuellen chirurgischen Praxis mit einem mittleren
kombinierten operativen Risiko von weniger als 2,5% durchgeführt wird.
Damit repräsentiert die Carotisendarteriektomie gegenwärtig den wissenschaftlich
fundierten Standard für die Behandlung der hochgradigen Carotisstenose,an dem neuere
therapeutische Verfahren gemessen werden müssen. In den letzten Jahren wurde auch
die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) ohne oder mit Stent (PTA/Stent) an einer
zunehmenden Zahl von Patienten mit Carotisstenose angewandt. Zahlreiche Autoren
haben die technische Durchführbarkeit dieser Kathetertechniken bei Carotisstenosen
aufgezeigt.
Siehe Offizielle Stellungnahme der österreichischen Gesellschaft für Gefäßchirurgie
Nachsorge
Unmittelbar postoperativ kann eine low-dose-Heparinisierung erfolgen.
Die Langzeittherapie mit ASS ist konsequent durchzuführen. Ambulante Kontrollen des
Patienten mittels direktionalem cw-Doppler und Duplex-Sonographie zur Erkennung der
Ausbildung einer Restenose oder eine kontralateralen Stenose sollte im ersten Jahr in
1/4-jährlichen Abständen erfolgen. Findet sich nach einem Jahr keine Restenose,
genügen weitere Kontrolluntersuchungen nach jeweils 12 Monaten.
Zur Sicherstellung einer langfristigen Qualitätskontrolle sollten diese durch die Klinik,
die die operative Behandlung vornahm, oder durch einen angiologisch erfahrenen Arzt
mit Weitergabe der Ergebnisse an Hausarzt und Klinik erfolgen.